Erfahrungsbericht von Laurence

Mein Name ist Laurence, bin 50 Jahre alt, geschieden und Mutter eines 7 Jahre alten Jungen. Ich lebe in Südfrankreich in Chalabre, einem kleinen Dorf mit 1000 Einwohner im Departement Aude. Aufgewachsen bin ich in einer grossen Familie. Meiner Familie stehe ich sehr nahe und sie unterstützt mich in meiner Arbeit, junge Menschen in Schwierigkeiten aufzunehmen.

Ich bin eine zuverlässige Frau, ehrlich, offen, warmherzig und von Natur aus dynamisch und gesellig. Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe umgeben mich in meinem Alltag. Meine Hobbys sind Nähen, Tanzen, Wandern, Lesen, Kino und Musik.

 

Ich studierte Psychologie und Erziehungswissenschaften in Toulouse und absolvierte eine Zusatzausbildung für die Schulbetreuung blinder Schüler.

Aufgrund meiner verschiedenen Berufserfahrungen habe ich viele Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem sozialpädagogischen und pädagogischen Umfeld erworben und entwickelt.

Acht Jahre arbeitete ich in einem Kinderheim und neun Jahre für die Einzelintegration von behinderten Schülerinnen und Schülern. Seit 2014 betreue ich Jugendliche in individualpädagogischen Einzelmassnahmen bei mir zu Hause.

Es hat viele Überlegungen gegeben, bevor ich mit der Betreuung bei mir begonnen habe.

Ich bin mir der Verantwortung bewusst, die mit einem individualpädagogischen Projekt verbunden ist, und engagiere mich fachlich und emotional. Meine Hauptziele für den jungen Menschen sind Schutz, Bildung, Integration und Autonomie.

 

Es ist mir wichtig, auf die Ressourcen der jungen Menschen einzugehen, das Selbstwertgefühl wiederherzustellen und gleichzeitig ein körperliches und moralisches Wohlbefinden zu gewährleisten. Mir ist klar, dass die individuelle, pädagogische Unterstützung nur möglich ist, in dem ich in völliger Transparenz arbeite, zusammen mit der Unterstützung einer fachlichen Begleitung und mit allen Mitgliedern eines Netzwerkes, das um den jungen Menschen herum aufgebaut wird.

Mich auf das Abenteuer eines individualpädagogischen Projektes einzulassen, war für mich nicht naheliegend, da ich bis 2014 kein Wissen über diese Arbeitsweise hatte. Durch meine Patentante, die seit über 30 Jahren in Frankreich Pflegekinder betreut, hörte ich erstmalig von dem Träger ensemble. Von Natur aus neugierig, recherchierte ich ein wenig. Bereit, mich auf diesen Weg zu machen, nahm ich Kontakt mit der Koordinatorin von ensemble in Frankreich auf, um sie zu treffen und mit ihr zu klären, ob mein Profil ihren Erwartungen entsprach und ob für beide Seiten eine Zusammenarbeit denkbar sei. Die zahlreichen Austausche in dieser Zeit zeigten mir, dass dies eine andere Arbeit ist, als die klassische, mir bekannte Arbeit der französischen Pflegefamilien, der famille d’accueil.

Am Anfang gab es einen Punkt, vor dem ich mich besonders gefürchtet habe; die Sprachbarriere, da ich kein Deutsch spreche. Ich wurde schnell in diesem Punkt beruhigt und hatte keine Zweifel mehr, da die Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Koordinatorin auf französisch abläuft.

Meine andere Befürchtung betraf den Austausch mit meinem Träger, aber bis heute war der Sprachunterschied nie ein Hindernis für die Arbeit, da innerhalb von ensemble alles getan wird, um den Dialog mit den verschiedenen Gesprächspartnern des Projektes zu erleichtern. Dies gilt insbesondere dank der einwandfreien Vermittlung der Koordinatorin.

Seit 2014 arbeite ich mit ensemble zusammen und habe bis heute 4 junge Menschen aus Luxemburg aufgenommen:

  • Einen 17-jährigen Jungen, für 4 Monate, schulbegleitet mit der Flex Fernschule
  • Einen 13,5-jährigen Jungen (bei Aufnahme) für insgesamt 2 ½ Jahre. Schulbegleitet in der ersten Zeit über das Fernschulsystem CNED und dann Aufnahme im College
  • Einen 17-jährigen Jungen, für 2 Monate, nicht mehr schulpflichtig
  • Seit 3 Jahren betreue ich einen 14-jährigen Jungen (bei Aufnahme), erst mit CNED beschult, dann Aufnahme und Abschluss am College, seit 1 1/2 Jahren in der Ausbildung zum Tischler.

Sie alle sind für mich vier völlig unterschiedliche Erfahrungen, auch wenn die Grundlage und das Werkzeug identisch sind. Es war und ist notwendig, das Projekt ständig an die Entwicklung, die Krisen, die Wünsche und Bedürfnisse des jungen Menschen anzupassen.

Im Rahmen der vier Betreuungen erlebte ich Krisen, sensationelle Momente des Austauschs, Manipulationen, Lachen, Tränen, Überraschungen, Lernen, Entdecken und vieles mehr.

Vier Betreuungen, bei denen einer dieser Jungen die Gelegenheit und die ihm gebotene Chance ergreifen konnte, seine Lebensgeschichte weiterzuschreiben, ohne die Vorherige zu löschen. Er konnte, und kann immer noch an einem neutralen Ort, in einer Umgebung mit neuen Regeln, ohne Vorurteile, an dem ihm zugehört wird, auf seinem Weg ins Erwachsenenleben begleitet werden.

Für mich ist diese Arbeit durchzogen von Fallstricken, denen ich wiederholt ausweichen muss. Die Hauptherausforderung, auf die ich während meiner Arbeit mit ensemble und den Jugendlichen stiess, sind die Auffassungen der Menschen ausserhalb des Projekts. Diese verstehen unsere Arbeitsweise nicht und beeinträchtigen diese teilweise auch (z.B. stellte die Freundin eines Jugendlichen die Massnahme ständig in Frage, investierte zu viel in die Beziehung zu dem Jugendlichen, was u.a. zu kleinen Krisen führte, die ich lösen musste).

Auch der Umgang mit neuen Kommunikationsmitteln, Internet und soziale Netzwerke kann den sicheren Rahmen stören. Ebenso kann die leibliche Familie des jungen Menschens eine Unterstützung aber auch ein Hindernis sein. So hat z.B. eine Mutter systematisch zerstört, was ich aufgebaut hatte.

Meine Erfahrungen mit der Individualpädagogik, wie sie im Ausland und von ensemble praktiziert wird, war für mich, im Vergleich zu dem, was in Frankreich gemacht wird, überraschend positiv.

Ich behalte meine Freiheit und Autonomie und erhalte viel Unterstützung von ensemble, vermittelt durch die Koordinatorin. Dazu gehören wöchentliche, persönliche oder telefonische Treffen, kollegiale Beratungen, Supervision und Fortbildungen. Dies ist mir so bei den französischen Trägern nicht bekannt.

In Anbetracht der Tatsache, dass der junge Mensch seine Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln kann, finde ich es spannend, in eine Unterstützung zu investieren, die es dem jungen Menschen ermöglicht, allmählich wieder Vertrauen in sich selbst zu gewinnen und langfristig Teil eines schulischen und/oder beruflichen Projekts zu sein.

Im Rahmen des Projektes kann der Jugendliche mit unserer Unterstützung eine breite Palette von Aktivitäten erleben. Auch ist es ein wichtiger Aspekt, dass die gewohnte Umgebung im Herkunftsland verlassen wird, eine neue Kultur, ein neues Land entdeckt werden kann.

Es ist diese individualpädagogische Betreuung, die es ermöglicht, den jungen Menschen in seiner Einzigartigkeit zu betrachten, weshalb es meiner Meinung nach unerlässlich ist, diese individuelle Begleitung und Unterstützung aufrechtzuerhalten.

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